Sportfachhandel relevant für’s System
Gastkolumne NZZ am Sonntag von Dennis Lück ist Werber des Jahres und Geschäftsführer von Brinkertlück Creatives
Systemrelevant. Wie oft haben wir dieses Wort in den letzten Monaten gehört! Und wie oft haben wir gehört, wer nicht systemrelevant sei. Kurz vor Weihnachten war ich im lokalen Sportfachgeschäft meines Vertrauens. Das Geschäft ist spezialisiert auf Laufsport und Triathlon.
Der Inhaber, Peter Bättig, ist ein renommierter Trainer in diesen Bereichen, und an das Geschäft gekoppelt ist ein Lauftreff für die Region. Viele Menschen laufen gerne, weil Herr Bättig ihnen die Freude am Sport vermittelt. Nun musste er schliessen. «Nicht systemrelevant», sagte er zu mir und zuckte mit den Schultern. Die Schliessung trifft ihn, wie viele andere auch, hart.
Es liess mich nicht los. Wieso ist dieses Geschäft nicht systemrelevant? Es bringt viele Menschen in der Region dazu, ihren Velo- oder Laufsport besser und gesünder auszuüben. Zusätzlich begleitet Herr Bättig seine Kundschaft auch als Trainer, wenn gewünscht. Aber auch diese Tätigkeit liegt aus den bekannten Gründen nun auf Eis.
Nicht systemrelevant. Ich überlegte, wie es wäre, wenn man die Messmethode des SROI auf sein Geschäft anwenden würde. Die Abkürzung steht für Social Return on Investment, und man berechnet damit die Sozialrendite von gemeinnützigen Institutionen, also den gesellschaftlichen Wert oder die Wirkung, die eine soziale Dienstleistung erwirtschaftet und die daher nicht vom Staat erbracht werden muss.
Wäre es nicht spannend, die Sozialrendite für das Sportfachgeschäft zu berechnen?
Beim bekanntesten fiktiven Lehrbuchbeispiel geht es um Arbeitsschutz. Eine Non-Profit-Organisation investiert 100 000 Franken in Aufklärung und Schutz von Bauarbeitern. Dadurch verunfallen in einem Jahr zwei Bauarbeiter weniger, zwei Invaliditätsfälle können nachweislich vermieden werden. Im Schnitt kostet ein Invaliditätsfall die Allgemeinheit 250 000 Franken. Die soziale Investition beträgt also 100 000 Franken, der wirtschaftliche Nutzen für die Allgemeinheit 500 000 Franken. Jetzt teilt man Nettoprofite durch die Nettoinvestition und erhält eine Sozialrendite von 5,0.
Das Phantastische an dieser Methode ist, dass man so die Sozialrendite einer Organisation beziffern kann. Der Deutsche Fussball-Bund hat kürzlich den SROI des Ehrenamtes im Amateurfussball bemessen und kam auf einen Betrag von 13,9 Milliarden Euro pro Jahr. Denn die Kriminalitätsrate sinkt, die Anzahl der krankheitsbedingten Arbeitsausfälle, und auch die Krebs-, Diabetes- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen ab. Das lässt sich beziffern.
Mit dieser Messmethode lässt sich die Systemrelevanz von Organisationen zeigen. Denn Sozialrelevanz heisst auch Systemrelevanz. Und jetzt kommt mein Punkt, ich bitte um Ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit: Wäre es nicht spannend, die Sozialrendite für das oben genannte Sportfachgeschäft zu berechnen?
Dann könnte man nachweisen: PB Sports Wohlen hat beispielsweise für 42 Tage weniger Arbeitsausfälle gesorgt, bei fünf Personen das Risiko einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems verhindert und sogar einen Jugendlichen durch die neue Liebe zum Laufsport davor bewahrt, ins kriminelle Milieu abzurutschen. Und schon hätten wir den Beweis für die Systemrelevanz eines Sportfachgeschäfts erbracht.
Bisher wurde die Idee des Social Return on Investment und die dazugehörende Messmethode nur von gemeinnützigen Organisationen angewandt. Aber sie liesse sich mühelos ausweiten. Alle grossen Schweizer Marken und Unternehmen reden ja inzwischen gerne von ihrem «Purpose», also ihrer Mission, ihrem Zweck. Und soziale Verantwortung von Firmen ist das Schlagwort der Stunde.
Wieso berechnet man die Wirkung des Purpose nicht mit der Methode des SROI? Plötzlich hätte man den gesellschaftlichen Wert und die systemische Relevanz einer Firma nachweisbar gemacht.
Es gibt Versicherungen, die ihre Prämienzahler zum Sporttreiben anregen. Es gibt Unternehmen, welche die Natur schützen. Es gibt Firmen, die ihre Kundschaft zum Wandern in der Bergluft animieren. Und, und, und. Die Liste der Engagements von Schweizer Unternehmen ist glücklicherweise lang. Sie alle könnten die Sozialrendite, also den Wert ihres Unternehmens für die Schweiz, ausweisen.
Liebe Firmen, nutzt doch bitte den SROI, um den Wert eures Unternehmens für die Gesellschaft greifbar zu machen. Das könnte Sponsoring begründen, neue Engagements eröffnen und endlich den ominösen Purpose messbar machen. Ausserdem gäbe es eine neue, schöne Diskussion rund um den Begriff der Systemrelevanz. Für mich ist PB Sports Wohlen – auch unter der Betrachtung des SROI – systemrelevant.