Schweizer Velowerkstätten spüren Nachwehen des Covid-Booms
Eigentlich könnte es einfach gut sein: Seit dem Veloboom der Covid-Zeit können sich viele Werkstätten des Schweizer Velofachhandels kaum vor Arbeit retten. Zudem sind die durchschnittlichen Werkstatt- Tarife nochmals deutlich angestiegen. Das spült zusätzlichen Umsatz in die Kassen der Velohandels. Dieser ist sehr willkommen, da der Verkaufserfolg in den letzten zwei Jahren zurückging.
Organisation, Personal und Produktqualität drücken auf die Rendite
Leider reichen diese positiven Vorzeichen nicht aus, damit die Werkstatt dem Schweizer Velohandel grosse Freude bereitet. Dies geht aus den Rückmeldungen von über 500 Fachhändlern hervor, die an der diesjährigen Werkstattumfrage Velohandel Schweiz von dynaMot und 2rad Schweiz teilgenommen haben. Im Gegenteil: Seit der letzten Umfrage von 2022 ist der Anteil der Händler sogar gesunken, die in der Werkstatt Geld verdienen. Nur etwas mehr als die Hälfte aller Umfrageteilnehmer (52.7%) gibt an, dass ihre Werkstatt gewinnbringend arbeitet, und etwa jedes siebte Geschäft gibt an, dass ihre Werkstatt rote Zahlen schreibt.
Die Gründe dafür sind vielfältig, weiss der Urs Rosenbaum von dynaMot, der die Studie herausgibt: «Einen wesentlichen Einfluss hat es, dass viele Werkstätten in den letzten Jahren gewachsen sind. Und wo mehr Personal arbeitet, muss die Arbeit stärker organisiert werden». Dieser Mehraufwand macht offenbar vielen Betrieben Mühe, denn vor allem in den grösseren Geschäften leidet die Rentabilität der Werkstatt. Rosenbaum sieht in den Ergebnissen auch noch viel Verbesserungspotenzial: «Eine beachtliche Zahl von Geschäften arbeitet noch nicht mit modernen Hilfsmitteln wie Arbeitswerten und Betriebs-Software, und nach wie vor werden Dienstleistungen wie Ersatzvelos oder Abholservice an die Werkstattkundschaft verschenkt statt verrechnet».
Flexiblere Anstellungsbedingungen gegen den Fachkräftemangel
Zusätzlich steigen in vielen Velogeschäften die Personalkosten. Zwar ist der Fachkräftemangel nicht mehr ganz so dramatisch wie noch vor zwei Jahren. Dennoch war zum Saisonstart 2024 immer noch in jedem dritten Velofachgeschäft der Schweiz eine Stelle in der Werkstatt offen. Um Mitarbeitende halten und neu anwerben zu können, zahlen Velohändler deshalb spürbar höhere Löhne als noch vor zwei Jahren. Zudem investieren viele von ihnen ins Personal, indem sie die Präsenzzeiten für Angestellte verringern: «Flexiblere Arbeitstage, Teilzeitstellen und eine fünfte Ferienwoche werden immer häufiger angeboten, damit der Job im Velofachhandel attraktiv bleibt», erklärt Urs Rosenbaum.
Hersteller in der Verantwortung
Nicht zu unterschätzen ist auch der fachliche Arbeitsaufwand. Dieser ist laut Rosenbaum seit dem Veloboom der Pandemie deutlich angestiegen «Als die Nachfrage explodierte, sank die Fertigungsqualität von Velos und Elektrovelos. Zudem wurden wegen fehlender Teile bewährter Lieferanten oft billigere und weniger zuverlässige Komponenten verbaut. Daraus entstehen Probleme, die erst nach und nach sichtbar werden und in den Werkstätten des Velohandels aufwändig behoben werden müssen.» Dabei handelt es sich nicht selten um schlecht vergütete Gewährleistungsarbeiten oder Reparaturen in Kulanz, um enttäuschte Kunden bei der Stange behalten zu können. Rosenbaum sieht daher nicht nur bei den Händlern Verbesserungspotenzial für rentablere Werkstätten, sondern auch bei den Herstellern von Velos und Elektrovelos «Längerfristig hält der Handel einen aufwändigen After Sales Service nur aufrecht, wenn sich dieser in irgendeiner Form für ihn auch rechnet. Davon profitieren die Hersteller selbst ganz direkt, denn die Zuverlässigkeit und Reparierbarkeit ist ein wichtiger Grund dafür, dass sich Schweizer Konsumenten hochwertige Velos und Elektrovelos leisten».
Werkstattumfrage 2024
Die Werkstattumfrage 2024 liefert Details und Kennzahlen wie es um Tarife, Organisation, Digitalisierung, Personalmangel und Löhne in den Werkstätten des Schweizer Velohandels steht. Die Umfrage wird seit 2011 regelmässig von dynaMot Kommunikation in Zusammenarbeit mit dem Zweirad-Gewerbeverband 2rad Schweiz durchgeführt und ausgewertet. Die ausführliche Auswertung kann direkt beim Herausgeber bestellt werden: www.dynamot.ch/werkstattumfrage . Eine kostenlose Inhaltsübersicht steht auf dieser Website zum Download bereit.